Geschichte

Die Anfänge

Angefangen hat alles eigentlich schon in den 50er Jahren. Damals bildete sich eine Laienspielgruppe, die heitere Volksstücke aufführte. In jener Zeit war das in vielen Orten so üblich. Anlässe gab es genug: Volksfeste, Schulfeste, Vereinsfeste. Auch Frei- lichtaufführungen fanden statt, zum Beispiel im Tiefental. Doch dazu später mehr. Kunst ist aber eine individuelle Sache, die an Personen gebunden ist, denen es an Ideen dafür nicht fehlt. Nach dem frühzeitigen Tod von Paul Lattig, dem damaligen Leiter und Organisator der Laienspielgruppe, schlief die Theaterarbeit im Dorf für einige Jahre ein.

Der Neubeginn

Einst, als in den Dörfern noch Schulen existierten, gab es in regelmäßigen Abständen Schulfeste. So auch aller fünf Jahre in Reichenau und Reichenbach. Höhepunkt dieses Volksfestes war immer das große Festprogramm am Sonnabendabend. 1970 war es wieder so weit. Schüler beider Dörfer spielten kleine Stücke aus der Heimatgeschichte. Viele fanden daran Gefallen, und so entstand die Idee, die Laienspielgruppe wieder zu beleben. Interessierte Leute fanden sich schnell, einige von ihnen hatten bereits früher mitgespielt. Wenige Monate später stand die erste Inszenierung. Die Leitung der Gruppe übernahm der Lehrer Werner Fuchs, der reichlich Erfahrung mit dem Amateurtheater aus seiner Heimat, dem Vogtland, mitbrachte und für viele Jahre das Laientheater leitete. Am 12. Dezember 1970 gab es auf dem Saal des Reichenauer Gasthofes die Premiere für die beiden kleinen Lustspiele "Rosen für Inge" und "Ein freudiges Ereignis". Zehn weitere Aufführungen sollten folgen, alle in den umliegenden Orten. Ein neuer Anfang war geschaffen, das Publikum hatte die Laienspielgruppe und ihre Kunst angenommen.

Hinwendung zur Klassik

Mit dem Amateurtheater in der DDR war das so eine Sache. Noch in den 50er Jahren wurde es von Vereinen getragen. Diese waren aber bald als kleinbürgerlich und reaktionär verschrieben. Das Arbeitertheater kam in Mode. Betriebe und staatliche Einrichtungen unterstützten die Amateurkünstler finanziell. Dabei wurden hohe Summen aufgewandt. Die meisten Arbeitertheater spielten propagandistische Stücke, die zwar oben gut angesehen waren, jedoch kaum vom Publikum beachtet wurde. Bei den regelmäßig stattfindenden Arbeiterfestspielen und anderen „volkskünstlerischen Leistungsvergleichen“ erhielten oftmals diejenigen einen Preis, die am besten die Linie der Partei vertraten. Unverdächtiger waren da schon die Klassiker der deutschen Literatur, also Lessing, Goethe, Schiller oder Hans Sachs. Letzterer wurde oft gespielt. Seine Stücke waren unverfänglich und für Laien leicht zu spielen. Doch die ewigen Knittelverse seiner Fast- nachtsspiele können mit der Zeit ganz schön nerven. Zum Glück hatte man in der Nähe von Reichenau einen berühmten Klassiker mit Weltruf: Gotthold Ephraim Lessing, der ja bekanntlich gebürtiger Kamenzer ist. Und so war es nur eine Selbstver- ständlichkeit, dass sich das Laientheater Reichenau dem Werk des großen Sohnes der Kreisstadt annahm. Fünf der frühen Komödien Lessings wurden in den folgenden Jahren auf die Bühne gebracht. Das "Der Schlaftrunk", ein Fragment, war vielleicht sogar eine Welturaufführung. Die Premieren zu den Stücken, "Die Matrone von Ephesus" (1973), "Die alte Jungfer" (1974), "Damon oder Die wahre Freundschaft" (1976), "Der Schlaftrunk" (1977/78), "Der Weiberfeind" (1979) und "Der junge Gelehrte" (1981) fanden jeweils zu den Lessingtagen im Kamenzer Theater statt. Später spielte man dann auch Goethe, so 1975 das Lustspiel "Die Mitschuldigen" und 1982 das Stück "Der Bürgergeneral". Als das Laientheater 1987 daran ging, ein Stück von Bertolt Brecht zu inszenieren, glaubte man zunächst nicht an einen Erfolg. "Brecht? Nein danke, der ist zu politisch!" Die Überraschung war aber groß, als das Lustspiel "Die Kleinbürgerhochzeit" beim Publikum gut ankam. Denn der große B.B. kann auch volkstümlich sein.

Kindertheater

Ein besonderes Kapitel in der Geschichte des Laientheaters ist die Arbeit mit Kindern. Seit 1979 gab es zur Jahreswende regelmäßig ein Märchen zu sehen. Dabei spielten Kinder aus der Umgebung, vom Laientheater geleitet und von der Schule Oberlichtenau unterstützt, für Kindergärten, Schulen bzw. Rentner Märchenspiele von den Brüdern Grimm, von Hans Christian Andersen und anderen. Einige der damaligen Kinderdarsteller sind heute noch Spieler. Nach der Wende musste dieses "Spielfeld" neu belebt werden. So wurde ab 1995 wieder regelmäßig ein Kinderstück ins Programm aufgenommen. Wurde dabei anfangs von Vereinsmitgliedern Regie geführt, so hält jetzt auch hier unser langjähriger Regisseur die Fäden in der Hand.

Auf und ab in unruhigen Zeiten

Man sagt, große Veränderungen bringen großes in der Kunst hervor. Für das Laientheater brachten die gesellschaftlichen Veränderungen seit 1989 viele Schwierigkeiten. Währungsreform und Arbeitslosigkeit haben ihre Spuren hinterlassen. Natürlich gab es Höhepunkte wie die Teilnahme am internationalen Theaterfestival in Saarbrücken 1990 mit dem Stück "Die Streiche des Scapin". Am 28.02.1992 gründeten Spieler des Laientheaters und Bürger den "Naturbühne Reichenau-Pulsnitztal e.V". Ging man anfangs noch mit dem Stück "Herr Peter Squenz" auf Tournee, wurde im Jahre 1994 der Entschluss gefasst, die Bühne in den Sommermonaten regelmäßig zu nutzen. In den Anfangsjahren war der Erfolg mäßig. So richtig viel Publikum kam erst im Sommer 1998, als der Lustspielklassiker "Die Feuerzangenbowle" aufgeführt wurde.